Demonia – Teil 9

Teil 9 Dann dreht er sich einfach wieder um. Ich hoere seine Lederschuhe auf meinen Kuechenfliesen, im Badezimmer, er durchsucht meine Wohnung. Schliesslich kommt er zurueck ins Wohnzimmer, bleibt vor mir stehen. Der Nasenriemen meines Knebelgeschirrs versperrt mir die Sicht nach direkt vorne, ich muss den Kopf etwas drehen, um ihn richtig sehen zu koennen. „Sie sind Narlineas Famula?“ Ich mache keine Bewegung. Bei einem Menschen haette ich genickt, nach der Vorstellung, dass eine Famula einer Demonia mehr Respekt bekommen wuerde als eine widerspenstige Gefangene. Aber es waere gelogen, und er kann riechen, wenn ich luege. Seine Stimme ist freundlich, er laechelt, wenn er mit mir redet, und seine Augen bleiben auf meinem Gesicht. Ein richtiger Gentleman. „Sie ist gerade nicht anwesend?“ Ich schuellte den Kopf. Mein Gott, wenn das einer der alten Demonius ist? Die neuen muessten alle so etwa in Venarius Alter sein. Aber dieser ist so verdammt hoeflich. Er zieht eine Lesebrille aus dem Mantel, jetzt erinnert er mich an Sean Connery. Kultiviert, dass ist das Wort, was am besten zu ihm passt. „Zu schade. Sie hat ihnen natuerlich auch nicht gesagt, wann sie zurueckkommt?“ Ich schuettle wieder den Kopf. Wenn er mir den Knebel herausnehmen wuerde, koennte dieses Gespraech wesentlich effektiver gestaltet werden, denke ich. „Nein, natuerlich nicht.“ Er macht eine Pause, schaut nachdenklich auf einen Punkt genau zwischen meinen eingeklemmten und pochenden Brustwarzen. „Nun. Da kann man wohl nichts machen.“ Er wuehlt nochmal in seinem Mantel, zieht einen Fueller und einen gelben Notizblock hervor, lehnt sich ueber den Wohnzimmertisch, beginnt zu schreiben. Was er auch immer schreibt, es kann nicht lang sein. Er faltet den Zettel zwei mal, schreibt etwas auf die Aussenseite, und tritt auf mich zu. „Rechts oder links, schoene Dame?“ Ich schaue verstaendnisslos zurueck. Der Knebel zwingt mein Gesicht in die Laenge, laesst mich wie einen Idioten aussehen. „Welche Klammer haetten sie lieber?“ Oh nein. Ich schuettle den Kopf. Er nickt bestimmt, aber laechelt dabei, als wolle er sich fuer die Notwendigkeit entschuldigen. Ich habe mal wieder keine Wahl. Ich deute mit der Nase auf meine rechte Brust, zucke kurz, als er die Klammer oeffnet, zucke nochmal, als er sie wieder zumacht. Der gelbe Zettel ist jetzt an meine Brustwarze geklammert. Meine neuste Rolle, Claudia als Notizblock. Es koennte schlimmer sein, denke ich. Er haette mich auch als Pinwand benutzen koennen. Hinter ihm auf der Kommode ist mein Naehkasten. Dann er geht einmal um mich herum, langsam, ich fuehle seine Augen auf meiner Haut, meinen geklammerten Bruesten, meinen bewichteten Schamlippen, meinen verstriemten Hintern. Als er wieder vor mir steht, beruehrt er meine Wange sanft mit den Fingerspitzen, schaut mich ueber den Rand seiner Brille an. Er hat Lachfalten in den Augenwinkeln, das weisse seiner Augen ist leicht vergilbt, wie es bei alten Menschen manchmal ist, aber die Pupillen sind so schwarz wie Narlineas, und in dem Blick ist die gleiche Entschlossenheit. An der rechten Hand traegt er einen schlichten Silberring. Er laesst die Hand fallen, nimmt die Brille ab, sie verschwindet wieder in seinem Mantel. „Einen angenehmen Tag wuensche ich noch.“ Ich werde mich bemuehen, denke ich. Er dreht sich um und geht ohne zurueckzuschauen aus meiner Wohnung. Es ist fast peinlich, aber dieser alte Mann und seine eigenwillige Hoeflichkeit hat meinem Selbstbewusstsein riesigen Auftrieb gegeben. Eine Stunde spaeter kommt Narlinea durch die Tuer, sieht sofort den Zettel an meinem Busen. Sie zieht ihn von unter der Klammer hervor, ohne sich die Muehe zum machen, sie zu oeffnen. Auf mein schmerzerfueltes Quietschen hin massiert sie geistesabwesend meine Brustwarze, was nach drei Stunden Klammerung die Sache eher schlimmer macht als besser. Ueber ihre Schulter lese ich mit: DU HATTEST RECHT. VERZEIHE MIR. TRANAMUS. Dadrunter stehen vier Adressen, alle ohne Namen, drei in Polen, eine in Dresden. „Oh mein Gott.“ Narlinea rennt zum Telephon. „Das war einer der Alten.“ Ich sitze mit den Haenden auf dem Ruecken gefesselt auf einem der Kuechenstuehle, bis auf eine Turnhose nackt. Wir warten auf Venarius, sie werden Kriegsrat abhalten. Er war also doch einer der Alten. Einer der Moerder. Wir sind entdeckt worden. Sie bespricht es mit mir, als wuerde ich dazugehoeren, ein seltsames Gefuehl, aehnlich wie bei unseren Diskussionen ueber Biologie und Literatur nimmt sie mich als Mensch ernst. In diesen Momenten ist es am schwierigsten, ihr zu widerstehen. Wenn wir entdeckt werden, wird Narlinea wahrscheinlich wieder nach Osten ziehen muessen. Und was passiert dann mit mir? „Wo ist er jetzt hin?“ Sie macht die Augen zu, sagt fuer einen Moment gar nichts. „Er ist tot,“ sagt sie. „Die vier Adressen sind sein Abschiedsgeschenk, Orte, wo wir weitere Alte finden.“ „Das wuerde er tuen, die anderen verraten?“ Sie hat sich wieder gefasst, die Augen wieder geoeffnet, aber ihr dunkler Kern wirkt matt. „Sie haben kein Gefuehl fuer Loyalitaet, Claudia, keiner der Alten. Und Loyalitaet ist die Grundlage jeder Beziehung.“ Sie scheint staerker getroffen zu sein, als sie es zugeben will, ihre sonst so harte Schale angekratzt, wie an meinem Wohnzimmertisch, als Venarius ihr von den Toten erzaehlte. „Aber auf gewisse Art sind diese Adressen das loyalste, was er je getarn hat.“ „Kanntest du ihn gut?“ „Er war mein Vater.“ Venarius kommt innerhalb einer Stunde, und er ist nicht allein. Mit ihm ist ein anderer maennlicher Domenius. Narlinea und Venarius nehmen sich in den Arm, und gehen ins Schlafzimmer. Vermutlich braucht Narlinea erstmal Trost. Verstaendlich. In der Zwischenzeit beschaeftigt sich der andere mit mir. Sehr intensiv. Er ist etwa so gross wie Venarius, wirkt aber juenger, und wenn sie Brueder sein sollen, sieht man nichts davon. Vielleicht ist er nur ein Halbbruder. Was gleich bleibt, sind die kurzen, schwarzen Haare, eine muskuloese Statur, etliche Narben, und kraeftige Haende, die zupacken koennen. Er spricht kein Wort, sondern zieht mich einfach auf die Fuesse, zieht mir die Shorts aus. Mit seinen Haenden leitet er mich dahin, wo er mich haben will. Und ich gehorche. Seine Bewegungen, seine Beruehrungen haben diese Mischung aus laessiger Brutalitaet und telepathischem Einfuehlungsvermoegen, die mir den Atem raubt. Ich denke an die Liebhaber, die ich hatte, Maenner, die entweder nur brutal waren, ohne jedes Gefuehl dafuer, was ich wollte, oder Maenner, die uebervorsichtig waren, immer nachfragten, wie es mir ginge, als ich nur misshandelt werden wollte. Dieser Demonius kennte mich nur seit fuenfzehn Minuten, und weiss schon genau, wie er mich anzupacken hat. Venarius hatte bei seinem letzten Besuch einen Sack mit kaum 3 mm breiten Nylonseilen mitgebracht, und beginnt, mich damit zu fesseln. Der erste Strick geht um meinen Nacken, vorne ueber meine Schultern nach und unter ihnen nach hinten, um meinen Rumpf nach vorne, zwischen meinen Beinen nach hinten, um mein Becken wieder nach vorne. Er zieht die Stricke fest, unglaublich fest, sie schneiden mir tief in die Haut, schmerzhaft in der Leiste. Er legt einen Strick ueber meinen Busen, einen unter meinen Busen, mit kleinen Stricken an jeder Seite und in der Mitte, zieht sie zusammen, druecken meine Brueste zwischen sich nach vorne. Dort, wo die beiden Seile sich zwischen ihnen treffen, knotet er dann das Ende eines anderen Stricks, und beginnt dann, ihn Schlinge fuer Schlinge um meinen rechten Busen zu wickeln. Narlinea und Venarius sind immer noch im Schlafzimmer. Er bindet meine Brueste von innen nach aussen ab, sie beginnen praller zu werden, stehen mit jeder Umwicklung weiter von meinem Brustkorb ab, und der Teil, der nicht von der Schlinge bedeckt ist, schwillt mehr und mehr an. Die duennen Stricke schneiden auch hier tief in die Haut, und als er fertig ist, sind meine Brueste wie zwei geschwollene Melonen, die Warzenhoefe geblaeht und schmerzhaft empfindlich. Meine Haende sind immer noch hinter meinem Ruecken gebunden, zu Faeusten geballt. Dann laesst er mich auf den Kuechentisch steigen, ich muss mich auf dem Bauch legen, mehr Nylon um meine Knoechel, um meine Knie, er zieht meine Ellenbogen aneinander, ohne sich sonderlich darum zu scheren, ob ich das wirklich kann oder nicht. Als Narlinea in mein Leben eindrang, konnte ich das noch nicht, aber ich durfte ueben, und jetzt geht es. Ich liege mit einem grossen Teil meines Gewichts auf meine Brueste, Schmerzen wie Nadelstiche in dem prallen Gewebe, es ist fast eine Erleichterung, als er die Seile um meine Knoechel und Handgelenke mit einem dickeren Seil verbindet, das Seil zur Decke fuehrt, beginnt, daran zu ziehen. Als er fertig ist, beruehrt fast nur noch mein Bauch die Tischplatte. Die Seile sind jetzt unter Spannung, graben sich in meine Haut, ein Teil meines Gewichtes liegt immer noch auf meinen armen Bruesten. Er verbindet mir die Augen, stopft diese gelben Stoepsel in meine Ohren, und verpasst mir das Knebelgeschirr mit dem roten Gummiball. Mit zusaetzlichen Stricken wird mein Kopf hochgezogen. Mein Koerper ist jetzt eine schmerzdurchflossene Wippe auf meinem Kuechentisch, durch grausam duenne Seile in gespannter Bewegungslosigkeit gehalten. Ich komme mir vor wie eine antike Statue – Claudia, Goettin der Bewegungslosigkeit, Schutzheilige der Fesselung. Dann passiert mit mir nichts mehr. Meine Welt besteht aus dem Gefuehl der Atemluft an meinen Nasenfluegeln, die Speicheltropfen, die mir aus den Mundwinkeln laufen, das Ziehen meiner verkrampften Schultern, und das sanfte Pochen meiner abgebundenen Brueste. Aber seine Grausamkeit ist geuebt. Meine Brueste sind zwar zu heulen prall, aber gerade so, dass der eigentliche Schmerz erst langsam ansteigt, und ich kann fast fuehlen, wie sie erst langsam, wenn auch unaufhaltsam, immer und immer mehr lila werden. Und wie schmerzhauft die Fesseln auch sind, meine Gliedmassen bleiben durchblutet und gefuehlsecht. Es tut nur saumaessig weh. Narlinea koennte es nicht besser machen. Irgendwann kommen wohl Narlinea und Venarius wieder aus dem Schlafzimmer, durch den Tisch kann ich Vibrationen. Der namenlose Demonius hat nicht Narlineas Geschick mit Ohrenstoepseln, wenn sie laut reden, kann ich sogar etwas verstehen. Venarius will, dass Narlinea mit zurueck nach Osten kommt, nach Prag, glaube ich, dorthin auf jeden Fall, wo sie von den anderen geschuetzt werden kann. Narlinea ist ueberhaupt nicht damit einverstanden. Sie will hierbleiben, sie will nicht zurueck nach Polen, in die tschechische Republik, und schon gar nicht nach Weissrussland. Sie hat hier ein Revier aufzubauen. Sie hat Arbeit. Der andere Demonius sagt nichts, oder er sagt es so leise, dass es nicht durch meine Schalldaempfung kommt. Er koennte Venarius kleiner Bruder sein, faellt mir ein. Vielleicht darf er nichts sagen. Und ausserdem, sagt Narlinea, waere noch ihre Famula. Ich sei keine Famula, sagt Venarius, ich koenne nicht mitgenommen werden. Ich waere keine Famula, von keinem Nutzen fuer die Demonias, und muesste deshalb – Ich kann nicht hoeren, was mit mir gemacht werden muss. Ich muss es auch nicht. Ich weiss zu viel, als dass sie mich am Leben lassen koennten. Ich kann Narlinea hoeren, wie sie dagegen redet, nur Bruchstuecke von Worten sind vestaendlich, sie werden ruhiger, je aufgeregt sie werden, kalt, sachlich, wieder genau das Gegenteil von Menschen. Ich fange an zu zittern, ganz leicht, bebe in meinen Fesseln, aber diesmal nicht aus Lust. Zum ersten Mal seit meiner ersten Zuechtigung durch Narlinea habe ich Angst. Um mir geht die Diskussion ueber mein Leben weiter, irgendwann legt jemand eine Hand auf meine gespannte Schulter, eine weibliche Hand mit langen Fingernaegeln, und ich fuehle meinen Koerper etwas ruhiger werden. Angst riecht wie Kupfer, faellt mir ein. Sie weiss es. Sie reden noch lange, die Zeit zaehfluessig in meiner Folterfesselung. Schliesslich bindet mich Narlinea los, ich kann mich zuerst nicht bewegen, meine Glieder verkrampft, zitternd, ich friere. Die Maenner stehen in der Tuer, ziehen ihre Maentel an. Venarius Blick folgt meinen zuckenden Bewegungen wie eine Kriegsmaschine, sein Gesicht eingefroren. Neben ihm steht der unbekannte Andere, schaut ruhig in meine Augen. „Bis Uebermorgen.“ Sie drehen sich um und gehen aus der Tuer, Venarius zuerst. „Komm,“ sagt Claudia. Sie hilft mir auf die Fuesse, nimmt meinen Arm um ihre Schultern, traegt mich fast zum Bett. Wir sagen lange nichts, liegen nur dort. Es ist fast unfair, eine Einmischung von aussen in ein Duell, das keinen etwas angeht ausser Narlinea und mir. Sie scheint auch so aehnlich zu denken, sie ist veraergert. Und dabei wird sie gar nicht uebermorgen umgebracht. „Wie wird es passieren?“ Ich reisse sie aus Gedanken. „Was passieren?“ „Bitte verarsche mich nicht. Nicht jetzt.“ Ihr Arm liegt um meine Schulter, sie sagt erstmal nichts, schaut auf unsere Reflektion in meinem Spiegelschrank. „Ein autoerotischer Unfall. Tod durch unabsichtliche Selbsterdrosselung.“ So soll ich sterben? Eine weitere Perverse, die sich bei ihren kranken Spielen selbst erhaengt hat? Ich denke an meine Eltern, an meine Freunde. Das habe ich nicht verdient. Das kann nicht sein. „Gibt es kein anderen Weg?“ Sie blickt in meine Augen, zieht sich zu mir, bleibt stumm. Sie hat die weichsten Augen. Wie ihr Vater. Der naechste Tag ist wie alle anderen bisher, nur, dass Narlinea nervoeser zu sein scheint, nicht aus dem Haus geht, laenger telephoniert. Meine regelmaesige Folterung geht weiter, unser Krieg geht weiter. Aber es ist unwirklich geworden, sinnlos. Sie haelt mich fast mehr, als sie mich schlaegt. Auf der einen Seite bin ich ihr dafuer dankbar, sie versucht mich auf ihre Art zu troesten, auf der anderen Seite will ich es nicht. Nicht von ihr. Nicht von einer Demonias. Ich fuehle mich verraten. Venarius will mich tot sehen, unbezwungen bin ich eine Gefahr fuer Narlinea, fuer die ungeborenen Kinder in ihrem, nun, Magen. Eine Gefahr fuer seine Art. Und ich kann ihnen nicht mal Unterwuerfigkeit vorspielen, sie wurden es riechen. Vielleicht koennte Narlinea meine Hinrichtung aufschieben, sie hat mich verteidigt, aber wenn es darauf ankommt, gehorcht sie Venarius, hat sie gegen diesen Mann so wenig Chancen wie ich. Ohne den Geruch von Alabaster bin ich tot. Ich muss hier irgendwie heraus. Die Zeit laeuft mir davon. Es wird Nacht in Muenster, und wie zu einem Begraebniss passend regnet es. Morgen kommen die Maenner zurueck. Narlinea laesst mich die Nacht alleine, ausgerechnet diese Nacht. Vielleicht hat sie wirklich Schuldgefuehle. Mitteln in der Nacht werde ich wachgeruettelt, eine Hand vor meinen Mund gepresst. „Schhhh. Kein Wort.“ Ich nicke kurz, beruehre ihre Hand. Sie schliesst mir die Manschette vom Fuss auf, legt die Kette leise auf das Bett. Ich bin zum ersten Mal seit ueber einer Woche nicht gefesselt. Bitte, Gott, laesst sie mich gehen? „Vor dem Haus ist ein alter Demonius. Du wirst aus dem Wohnzimmerfenster klettern und weglaufen. Schau dich nicht um, bleib nicht stehen, komme fuer Tage nicht wieder.“ Einer der Alten. Ihre Stimme ist zu ruhig, fast maschinell, die Stimme einer Demonia unter Adrenalin. Sie hat Angst, merke ich, mehr Angst als ich mir bei ihr je vorstellen koennte. Ich will etwas sagen, aber sie haelt mir wieder die Hand vor dem Mund. Ich nicke. Ich habe mir das Gehirn zermattet wie ich frei kommen koennte, und jetzt laesst sie mich einfach gehen. Vielleicht sterben wir jetzt beide. Sie geht vor mir in den Flur, lautlos, geht in Richtung Kueche, deutet auf mich und dann in Richtung Wohnzimmer. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Nackt wie ich bin, und so lautlos wie ich kann, renne ich auf das Fenster zu – Das Wohnzimmerfenster explodiert, wird sammt dem Rahmen aus der Fassung gedrueckt. Das Fenster knallt auf dem Teppich, das Glas klirrt, aber haelt. Ein Mann springt hinein, landet sanft wie eine Katze. Ich schreie, falle fast hin in meinem Versuch, noch rechtzeitig zu stoppen, komme wieder auf die Fuesse, renne zurueck. Narlinea steht hinter mir, drueckt mich hinter sich. Ich steht jetzt wieder im Tuerrahmen zum Schlafzimmer, wo sie die Fenster zugeschraubt hat. Er ist jetzt im Flur, ich komme nicht an Narlinea oder ihm vorbei. In der Falle. Fuer einen Augenblick ueberlege ich, ob ich mich unter dem Bett verstecken soll, aber was sollte das bringen – er wird mich riechen koennen, ich muss Kupfergeruch wie ein Leuchtfeuer verbreiten. Ich trete einen Schritt zurueck. Ich kann nur zuschauen. Meine Chance zu fliehen ist im Arsch. Das ist einer der Alten, und er ist nicht wie Narlineas Vater, und ich bin tot. Der Mann steht vor Narlinea. Das einzige Licht kommt von der Strassenlaterne vor dem Haus, und muss sich zwischen die Blaetter der Kastanien hindurchkaempfen, es ist einfach zu dunkel, um Einzelheiten zu erkennen, aber er ist riesig, und er ist aufgebracht. Sie reden auf Polnisch oder Weissrussisch oder was auch immer fuer eine Sprache, ich verstehe sie auf jeden Fall nicht. Narlinea ist leise, beschwichtigend, redet sanft auf ihn ein, fast unterwuerfig, unfassbar aus ihrem Mund. Ploetzlich schiesst seine Hand heraus, trifft sie mit dem Handruecken ins Gesicht. Narlinea taumelt, schlaegt mit dem Kopf gegen die Wand hinter ihr auf. Er hat nicht mit voller Kraft zugeschlagen, aber es wird gereicht haben, schon von einem menschlichen Mann wuerde der Schlag hart sein, von einem Demonius muss es wie mit einem Baseballschlaeger sein. Sie schreit irgendwas, er schreit zurueck und schlaegt nochmal, haerter. Er wird sie toeten, ich hoere mich selbst schreien, ihren Namen, aber angewurzelt stehe ich hinter ihr – Er tritt auf sie zu, greift nach ihrem Hals. Von ihrer Huefte zieht ihre Hand ploetzlich nach oben, ein heller Bogen im Strassenlicht, es ist Stahl, mein Brotmesser. Der Bogen endet abrupt dort, wo sein Kinn und Hals ineinander uebergehen, direkt ueber seinen Adamsapfel, endet so abrupt wie sein fremdes Schreien. Fuer einen Augenblick trift das Licht genau sein Gesicht, auf den maskenartigen Zuegen ist etwas wie Verwunderung, Unglauben, und dann versagen ihm die Beine, er faellt wie eine Gipspuppe auf den Glastisch neben meinem Gadrobenstaender. Ein Funkenmeer aus Scherben spritzt ueber den Fussboden, fallen ins Wohnzimmer, in die Kueche, landen zwischen meinen Fuessen. Narlinea stoesst einen unmenschlichen Schrei aus, zerrissen und hoch, steht mit dem Ruecken zur Wand, die Haende vor dem Mund geschlagen. Sie sackt zusammen, rutscht die Wand herunter, faehrt mit dem Ruecken ueber den Lichtschalter. Es ist schlagartig hell im der kleinen Diele. Ihre Augen sind weit, fast voellig schwarz, starr auf den Toten gerichtet. Aus ihrer Nase rinnt ein kleiner roter Faden. Dort, wo sie im Gesicht getroffen hat, ist ihre helle Haut aufgeplatzt, kleinere Faeden laufen mit dem aus ihre Nase zusammen. Der Eindringling liegt mit den Gesicht nach oben zwischen den Truemmern meines Glastisches, den Kopf zurueckgebogen, das Messer bis zum Griff in seinem Hals. Er ist tot. Das Messer ist lang genug um die Luftroehre und den Hirnstamm durchtrennt zu haben, vielleicht noch eine der Halsarterien. Narlinea sitzt im Schock neben der Wohnungstuer, unbeweglich, selbst wie tot. Der Schluessel zu meiner Wohnungstuer steckt. Ich bin frei. Ich brauche nur einen Nachbarn aus dem Bett zu schellen, die Polizei rufen zu lassen. Ich kann es sogar von meinem eigenen Telephon aus hier in der Diele tuen. Auf dem Fussboden liegt die kuehlende Leiche eines Demonius, das Messer in seinem Hals uebersaeht mit den Fingerabdruecken meiner Entfuehrerin. Die Polizei wird ein leichtes Spiel haben, die Gerichtsmediziner eine Leiche zum Sezieren, eine Leiche mit umgebauten Darm, Augen wie aus einem Horrorfilm, ohne Harnblase und Magen, und wer weiss was noch alles. Und ich werde frei sein. Die Informationen werden reichen, um die anderen zu fangen, einzusperren. Der Krieg ist vorbei. Ich bin frei. Ich gehe auf das Telephon zu, trete vorsichtig zwischen den Glassplittern, nehme den Hoerer ab. Narlineas einziges Lebenszeichen sind ihre Atemzuege, zu schnell, Gott weiss, was jetzt in ihrem Stoffwechsel vor sich geht. Warum ist sie nicht geflohen? Sie hatte Zeit dazu. Sie haette mich nicht befreien muessen. Sie haette mich liegenlassen koennen, bis der Demonius die Wohnung durchsucht haette, waere im Taxi oder im Zug schon auf dem Weg nach Berlin oder Prag oder Budapest, selbst um diese Uhrzeit. Er haette mich getoetet, aber auch das haette ihr wertvolle Sekunden gebracht. Sie haette genug Zeit gehabt um zu fliehen, wenn sie mich nicht befreit haette. Ich soll sowieso morgen sterben, und von einem Einbrecher getoetet zu werden waere fuer sie noch besser als eine etwas zweifelhafte Selbsterhaengung. Eine Gelegenheit, die Venarius nie verpasst haette. Ich schaue sie an, zusammengekauert auf dem Fussboden, die Knie zur Brust gezogen, die Haende immer noch vor dem Mund, die Augen starr, weit. Auf ihrer Brust sammelt sich das Blut aus ihrer Nase, laeuft auf der einen Seite ihren Arm herunter. Sie hat sich die Zeit genommen, mich frei zu lassen. Sie hat dafuer ihre eigene Sicherheit aufs Spiel gesetzt. Damit ich eine Chance hatte zu entkommen, egal wie klein. Sie hat mir das Leben gerettet. Aus dem Hoerer in meiner Hand kommt laut und fordernd das Freizeichen. Ich denke an Venarius kalte Augen, an seine Entschlossenheit, die Narben auf seinem Koerper der Beweiss fuer seinen Willen, seine Spezies, seine Partnerin bis zur letzten Konsequenz zu verteidigen. Wie er sie in den Arm genommen hat, sich fuer sie verantwortlich gezeigt hat. Ich denke dann an ihren Liebesakt, wie er sie auf die Knie gedrueckt hat, sanft aber bestimmt, als waere es sein Recht. Wie sie sich ihm unterworfen hat, sich diesem Willen fuegte. Aber als sie ihn rief, nach dem Selbstmord ihres Vaters, ist er gekommen, den ganzen Weg aus Polen, um sie zu troesten, um sie zu beschuetzen. Morgen wird er kommen und mich umbringen, um sie, um seine Art zu schuetzen. Weil er fuer sie verantwortlich ist. Weil er loyal zu denen ist, die zu ihm gehoeren. Loyalitaet, sagte Narlinea, ist die Grundlage jeder Beziehung. Auf dem Block neben dem Telephon ist Venarius‘ Telephonnummer in Polen. Narlinea atmet immer noch zu schnell, zu hastig, ihre Augen wie aus kaltem Glas. Vielleicht stirbt sie. Ich habe keine Ahnung, wie ich ihr helfen soll. Sie hat mir das Leben gerettet. Sie werden mich toeten. Ich bin fuer sie zu gefaehrlich. Es ist nicht mein Krieg. Ich lege den Hoerer ans Ohr, waehle mit unsicheren Fingern. „Peter Studemann.“ Er liest den Namen von dem Personalausweis des Toten. In der Brieftasche sind andere Papiere auf dem Namen ausgestellt, Fuehrerschein, Kreditkarten, Schluessel. Das Leder der Brieftasche sieht seltsam aus, ich versuche nicht daran zu denken, was fuer ein Tier dafuer sterben musste. Venarius steckt den Personalausweis ein, durchwuehlt die anderen Papiere, das andere Zeug, dass der Tote bei sich hatte, Geld in drei Waehrungen, zwei Personalausweise, einen Fuehrerschein, Schluessel ohne Ende, ein riesiges Taschenmesser, einen Roman auf Polnisch. Und eine Liste mit Adressen. Ich stehe hinter ihm, helfe ihm, die Leiche auszuziehen, die Kleidung zu durchsuchen. Ich bin nicht gefesselt, und weder er noch der andere Demonius, der jetzt im Schlafzimmer bei Narlinea ist, hat angedeutet, dass ich gefesselt werden soll. Er hatte mir nur in die Augen geschaut und mich gefragt, ob ich die Polizei angerufen hatte. Ich habe zurueckgeschaut und nein geantwortet. Es gibt keinen Grund, warum ich ihn anluegen sollte. Es wird nie wieder einen geben, so oder so. Narlinea hatte sich bis zu ihrer Ankunft nicht bewegt. Wengstens atmete sie weiter, zu schnell, zu hektisch, aber sie atmete. Venarius stopft die restlichen Papiere in eine Tasche seines Trenchcoats, nur die Liste mit Adressen faltet er sorgfaelltig, tut sie in die Vordertasche seiner Jeans. Es waren sechs Adressen, alle in Deutschland, eine davon sogar in Duesseldorf. Er schaut zur geschlossenen Schlafzimmertuer. „Was ist mit ihr?“ frage ich. „Eine Art Schock. Die Demonias sind nicht zu Toeten gebaut. Sie verpacken das psychologisch nicht gut.“ Er schaut kurz zu mir. „Eine Art Beisshemmung, damit sie als Dominas ihre Kunden nicht toeten.“ „Wird sie gesund?“ „Einige sterben.“ Er hatte aus meiner Kueche zwei grosse Muellsaecke geholt, beginnt mit meiner Hilfe die Leiche in sie zu packen. „Sie nicht.“ Wir verschliessen die Saecke mit einem der Stricke, mit denen ich vor einigen Tagen so brutal gefesselt worden war. Der andere Demonius kommt aus dem Schlafzimmer, nickt einmal kurz, schaut mich ruhig an, wie damals, als er zum Gehen in der Tuer stand. „Wir werden schnell handeln muessen,“ sagt Venarius, klopft auf die Vorderseite seiner Jeans, dort, wo die Adressenliste ist. „Narlinea wird auch alleine durchkommen, auf jeden Fall bis zu unserer Rueckkehr.“ Ich koennte heulen, wenn ich an sie denke. Sie hat sich fuer mich geopfert. Venarius dreht sich zu mir, tritt etwas auf mich zu. „Und wenn wir wiederkommen, gehen wir wieder nach Osten. Sie ist hier zu verwundbar, egal, was sie gestern noch wollte.“ Er legt eine Hand auf meine Schulter, die andere an meinen Hals. Sein Blick ist voellig kalt. Es ist soweit. Ich stehe vor ihm, die Haende an den Seiten. Ich bin keine Famula, ich bin von keinem Nutzen fuer die Demonias, und ich muss deshalb – die Hand auf meiner Schulter loesst sich, er nimmt mein Kinn in eine Hand, hebt mein Gesicht zu sich hoch. Ich halte meine Augen auf den Fussboden, auf seine weissen Turnschuhe, unter seinen Fuessen liegen wie zertruemmerte Sterne Glasstuecke meines Dielentisches. Ich sehe an meinen Bruesten vorbei, denke an die Stunden, die sie in den beiden Wochen geklammert und abgebunden und geschlagen wurden. Seltsam, dass man keine Spur davon sieht. Der andere Demonius steht hinter ihm, schaut unbeteiligt zu. Narlinea waere fuer mich gestorben. Loyalitaet ist die Grundlage jeder Beziehung. Loyalitaet kann nur mit Loyalitaet bezahlt werden. Vor mir waegt etwas, das nur eine Mutation Abstand von einem genetischen Massenmoerder hat, den Wert meines Lebens. Seine Hand ist kuehl um meinen Hals, wie Narlineas, aber rauher, haerter. Ich war in meinem Leben noch nie so ruhig, so gefasst. Vielleicht fuehlen sich die Demonias so, wenn sie unter Druck ruhig werden, so klar, so entschlossen. „Schaue mir in die Augen.“ Er hat eine neue Narbe ueber dem linken Auge, merke ich beilaeufig. Seine Augen sind aelter als 20, sie sind ruhig, gefroren, brechnend, und die Falten um sie kommen nicht vom Lachen. Seine Spezies ist auf weniger als 300 zusammengeschrumft, vier seiner Brueder sind von Psychopathen ermordet worden, und die Frau, die seine Kinder traegt, liegt katatonisch im Nebenzimmer, vielleicht im Sterben. Fuer einen Moment ahne ich den Druck, der auf seinem Leben lastet. Was hinter diesen Augen wohnt, ist unmenschlich belastbar, stark, widerstandsfaehig auf eine Art, die nicht anerzogen sein kann. Und was bin ich dagegen? „Da,“ sagt der andere. Ich habe ihn noch nie vorher sprechen gehoert, er hat eine erstaunlich tiefe Stimme, sie scheint von tief in seinem Brustkasten zu kommen, gar nicht von seinen Stimmbaendern. Niemand bewegt sich. Ich kann kaum noch atmen. Fuer einen Moment kann ich fuehlen, wie Venarius Augen in mich eindringen, mich durchwuehlen. Ich fuehle eine Gaensehaut ueber meinen Ruecken laufen, und wieder diesen Wunsch, dieses Verlangen, von ihm genommen zu werden, unter ihm zu liegen, egal, was er mit mir machen wuerde, wie sehr er mir weh tuen wuerde. Ihm zu gehoeren. Er ist der Partner von der Frau, die sich fuer mich aufgeopfert hat, die von mir voelligen Gehorsam verlangte, aber bereit war, dafuer mir ihrem Leben zu bezahlen. Wenn sie stirbt, hat er ein Recht, mich zu hassen. „Ja,“ sagt Venarius, und nickt. Er laesst meinen Hals los, dreht sich um, geht ins Schlafzimmer. Einfach so. Ich bleibe stehen, fuehle wie die Male von seinen Fingern an meinem Hals langsam zurueckgehen, meine Augen noch da, wo sein Blick sie noch vor Sekunden gehalten hatte. Der andere Demonius kommt auf mich zu, nimmt mein Kopf zwischen seinen Haenden, und drueckt mir sanft einen Kuss auf die Stirn, genau zwischen den Augen. Etwa dort, wo ich vor Tagen Narlinea geschlagen hatte. „Willkommen bei den Demonias, Famula Claudia.“ Und fast kann ich es selbst riechen, den Geruch im Zimmer, den Geruch von Alabaster. Ich merke selbst erst, dass ich weine, als der Demonius mich in seine Arme nimmt, mich gegen sich drueckt.

Demonia – Teil 9

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