Meu fado (7)

Sie erwischten die letzte Metro, saßen zwischen tuschelnden, ineinander versunkenen Paaren, die durch die Nacht geschwärmt waren. Fiona schaukelte vergnügt auf ihrem Sitz, erzählte ausgelassen aus ihrer Studentenzeit, wilden Partys und Nächten in Clubs, der letzten Weihnachtsfeier ihrer Firma. Ben streute einige flapsigen Bemerkungen ein, während sein Blick zwischen Fiona immer wieder zu den Paaren wanderte. „War das eigentlich Kate, die Dich damals auf der Weihnachtsfeier begleitet hatte?“ Sie fragte das in einem beiläufigen Ton.„Es war Kate. Ja.“ Er sah aus dem Fenster. In der Schwärze wischten die Lichter an der Tunnelwand vorüber. „Wir waren nur kurz vorbeigekommen. Auf dem Weg zu einer anderen Party.“ Es verstimmte Ben, dass Fiona sie damals gesehen hatte. „Sie sah nett aus.“„Ja.“ Ben ertastete mit seinem Daumens den Ring am Mittelfinger. „Mehr als das, wenn sie mit so einem Mann wie mir zusammen sein konnte.“„Wie lange ist das jetzt schon her?“ Er sah Fiona fragend an. Dabei fielen ihm Linien auf, die sich um ihren Mund abzeichneten.„Es sind jetzt über ein Jahr.“ Steifbeinig stand er auf und nahm die Einkaufstaschen vom Sitz gegenüber. Auf der Leuchttafel wurde ihre Station angezeigt.„Gott. Meine Knie fühlen sich an wie nach einem Marathonlauf.“„Armer, alter Ben!“ Mit einem Lächeln tänzelte sie vor ihm durch die sich öffnenden Schiebetüren.Dann lachte sie hell auf.“Dieser Abend wird mindestens für den Mann im Barrio Alto unvergesslich bleiben!“ Ben grinste bei dem Gedanken an die Szene.’Ganz sicher nicht nur für ihn.‘ dachte er und sah Fiona an, die mit schnellen Schritten über den Steig schritt, bezaubernd in ihrem Sommerkleid vor den dunkelblauen Fliesen. Ben kramte kurz in seinen Taschen nach dem Billet und versuchte dann, wieder zu Fiona aufzuschließen, die bereits an der Rolltreppe angekommen war und feixend zu ihm zurück blickte. Wie immer machte sie eine Art Wettrennen aus dem Weg zurück zum Hotel. Aber dieses Mal folgte ihr Ben betont langsam. Es machte einfach zu viel Spaß, ihren eleganten Gang zu betrachten.Als sie vor ihm die Stufen neben dem kleinen Obsthändler hinaufstieg, fuhr der Luftzug unter den Saum ihres Kleids. Für einen kurzen Moment schimmerte der spitzenbesetzte Rand halterloser Strümpfe auf. Fiona war unvermittelt auf der Treppe stehen geblieben, drehte sich dabei zu Ben. Und als er im Gehen von ihren schlanken Beinen aufblickte, schwebte plötzlich ihr lächelnder Mund direkt ihm. Er erstarrte in seiner Bewegung. In der frischen Morgenluft fühlte er ihren Atem auf seinen Lippen. Die Wärme und der Duft ihres Körpers umfingen ihn. Da war dieses Kribbeln, nur den Bruchteil eines Herzschlags von diesen leicht geöffneten, schimmernden Lippen entfernt zu sein. Ihr Kopf neigte sich. Unmerklich. Einladend. Ihre Augen, wie gebannt auf ihn gerichtet, trafen seinen Blick. Weite Pupillen in einem unendlich tiefen Grün, leuchtend im Licht der Straßenlaternen. Ben öffnete den Mund um etwas zu sagen, was tonlos an seinen Lippen hängen blieb. Verblüfft nahm er wahr, dass seine linke Hand Fionas Taille umfasst hielt, sich ihr Unterleib vorschob und gegen seine Hüfte presste.„Küss mich, Du Idiot!“ Er fühlte jedes ihrer gehauchten Worte auf seinen Lippen, nahm im Augenwinkel wahr, wie sie ihren Arm hob, spürte, wie sie ihn um seinen Nacken schlang, jetzt ihren warmen Körper an seine Brust gepresst. „Küss mich, Ben!“Ganz leicht senkte er seinen Kopf, schloss die Augen. Eine erste Berührung streife seinen Mund, verstärkte dieses Kribbeln, kleine elektrische Entladungen, die sich ihren Weg von seinen Lippen durch seinen Körper bahnten. Ihr Mund öffnete sich weiter. Er erwiderte ihr Drängen, ließ die Taschen aus der Hand gleiten und griff in ihr weiches Haar, umfasste ihren Hinterkopf. Ein Zittern durchlief ihren Körper und schien direkt auf ihn überzuspringen. Dann plötzlich drehte sie ihren Kopf zur Seite, ihre Arme glitten hinab und ihre Hände stemmten sich gegen sein Schultern. Ben taumelte zurück, verwirrt.„Es tut mir leid, Ben.“ Die Wasserlinien ihrer Augen schimmerten, als sie sich wieder zu ihm wandte. „Ich wollte nicht…“ Seine Stimme klang rau. „Ich kann einfach nicht.“ Schnell bückte sie sich, griff die auf den Stufen liegenden Taschen. Ben schaute ihr dabei wortlos zu, wie sie sich aufrichtete, vermied, ihn anzusehen. Hastig wandte sie sich ab. Ihre Schultern zuckten. „Fiona…“Im Gehen drehte sie sich zu ihm und er nahm den Glanz auf ihren Wangen wahr, als sie mit überraschend ruhiger Stimme sagte: „Don’t fuck your office!“Ben hörte ihre Schritte über das Pflaster leiser werden und verhallen. Seinen ersten Gedanken, ihr hinterherzurennen, verwarf er. Und so stand er noch eine Weile, bevor er sich langsam in Bewegung setzte. Nach ein paar Metern, auf der Brücke, die sich über die Rua Sebastiao spannte, blieb er unschlüssig stehen. Dann, aus einem Impuls heraus, ging er zum schmalen Durchgang am Rand der Brücke und stieg die steilen Steinstufen hinab. Im Elefante würde die Bar noch lange geöffnet haben. Lang genug, um die Leere zu füllen, die sich in ihm ausgebreitet hatte. Und es waren genügend Mädels da, mit denen es leichter werden würde zu vergessen.

Meu fado (7)

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