Der Schmied aus Intal 2/38

Kapitel 2 Wälder, soweit das Auge reichte, unterbrochen durch Sümpfe, die man in der Nacht umgehen musste. Selbst am Tag war es besser, in einem Bogen herumzulaufen. Das Auge konnte getäuscht werden, manche grüne Fläche war nur von Torfmoos bewachsen und machte einen friedlichen Eindruck, darunter lag der Tod. Zäher, klebriger Schlamm ließ einen einsinken, und wenn man sich wehrte, sank man tiefer hinein. Man ertrank nicht, man starb an Erschöpfung. Zu dieser Zeit war die Feuchtigkeit darunter kalt und der Körper kühlte schnell aus. Kam einem Niemand zur Hilfe, war das Ende nicht fern. Schrie man verzweifelt, musste man hoffen, dass der, der kam, einem helfen wollte. Es kam genauso vor, dass der vermeintliche Retter andere Ziele verfolgte. Man starb nicht nur, sondern wurde vorher oder danach ausgeraubt. Es gab Menschen, die warteten, dass man im kühlen Morast verreckte. Danach warf man eine Schlinge über den leblosen Körper und zog ihn heraus. Hier nahm man ihm alles, was er hatte, wirklich alles, die Zeit war hart. Den nackten Körper warf man zurück ins Moor oder ließ ihn liegen, damit die Tiere des Waldes den Rest besorgten.Ich hielt mich von den Straßen fern, hatte wenig Geld dabei, es hätte vielen Menschen gereicht, mir dafür die Kehle durchzuschneiden. Stattdessen lief ich durch die Wälder, immer auf der Hut und leise, wie es ging. Zwielichtiges Gesinde durchzog die Einöde auf der Suche nach Nahrung. Jetzt im Sommer, der sich dem Ende zu neigte, bestand meine Hauptnahrung aus Pilzen, die vermehrt aus dem Boden kamen. Veit hatte mir beigebracht, welche genießbar waren, alle anderen ließ ich zu meinem Bedauern stehen. Ab und zu fand ich wilde Beeren, die ich wie die Pilze roh verzehren konnte. Feuer wollte ich nicht machen, zu schnell hätte es mich oder meinen Standort verraten. Veit hatte mir beigebracht, wie man Fallen stellte und ich versuchte es mehrmals, aber ich hatte keine Zeit dafür, von daher fing ich nichts. Ich wollte schnell und weit nach Süden, über die hohen Berge, die man mir beschrieben hatte. Der nächste Winter stand vor der Tür. Berge, ein Wort, was ich kannte, konnte nichts damit anfangen. Man hatte mir erklärt, dass eine Art Hügel wäre, jedoch wesentlich höher. Vorstellen konnte ich es mir nicht. Vor allem nicht, das diese aus Stein sein sollten. Bei uns in der Gegend gab es eine Anhöhe, aber die war aus Erde. Man erzählte sich, dass dort lange verstorbene Menschen begraben wären und in bestimmten Nächten kämen deren Geister heraus, um auf dem Hügel zu feiern. Als ich Kind war, konnte man mich damit erschrecken.Am zehnten Tag meiner Wanderschaft war ich ausgezehrt und kam langsam voran. Die rein pflanzliche Nahrung enthielt wenig Nährstoffe und mein Körper hatte geringe Reserven. Menschen hatte ich die ganze Zeit nicht ein einziges Mal gesehen. Nur einmal meinte ich in einiger Entfernung, Stimmen zu hören, sicher war ich mir nicht. Ich wich ihnen aus.Später traf ich auf einen Trampelpfad. Schlecht zu erkennen, aber er war vorhanden. Außerdem roch ich verbranntes Holz. Irgendwo in der Nähe mussten Menschen sein. Ich suchte mir einen Baum, den ich jederzeit wiederfinden würde, und vergrub den größten Teil des Geldes, welches ich bei mir hatte. Drei Münzen behielt ich bei mir. Eine große, wertvoll Aussehende und zwei Kleinere, von denen ich eine ganze Anzahl bei mir trug. Danach folgte ich dem Pfad und dem Geruch, der intensiver wurde.Wenig später trat ich auf eine Lichtung, in deren Mitte ein kleines, windschiefes Häuschen stand. Es war älter, wurde, soweit ich das beurteilen konnte, öfters ausgebessert. Die verschiedenen Farben der Schindeln verrieten dies gut. Link und rechts vor dem Haus waren zwei halbkugelförmige Aufschüttungen errichtet worden, aus denen der Qualm stieg, den ich zuvor gerochen hatte. Weiterhin gab es an der einen Seite des Hauses eine weit überstehende Überdachung, unter der jede Menge Holz aufgestapelt war, dessen länge und dicke gleich war.Veit hatte mit erzählt, dass in den Wäldern Köhler zuhause waren. Zumeist einsame, wenig umgängliche Menschen, denen man nachsagte, dass sie mit dunklen Mächten in Verbindung standen. Nicht umsonst waren sie im dunklen Wald. Veit meinte lachend, dass sie nicht wegen der dunkeln Mächte im Wald waren, sondern wegen der Bäume. In der Stadt hätten sie ihrem Gewerbe nicht nachgehen können.Trotzdem hatte er gemeint, dass Menschen, die lange alleine im Wald lebten, seltsam wurden, oder es vorher schon gewesen waren. Wer wollte freiwillig dort hausen.Ich blieb einen Moment stehen und betrachtete die ganze Sache und überlegte mir, ob ich einen weiteren großen Bogen herummachen sollte. Mein Innerstes entschied sich dagegen, ich fühlte mich einsam und wollte endlich die Stimme eines Menschen hören. Gerade, als ich auf das Haus zugehen wollte, ging die Tür auf. Ein vom Alter gebeugter Mann, mit einem gewaltigen Bart, trat aus der Tür und ging ohne Eile zu einem der Holzkohlemeiler. Hier prüfte er anscheinende die Luftzufuhr und korrigierte diese. Danach schlurfte er zum anderen Meiler und vergewisserte sich auch hier, ob alles in Ordnung war. Als er dies erledigt hatte, sah er gen Himmel, schüttelte seine Kopf und ging zum Haus zurück. Er ging nicht hinein, sondern setzte sich auf eine Bank, die neben der Tür stand. Dort blieb er sitzen, ohne sich zu bewegen.Ich dachte mir, dass dies der richtige Zeitpunkt wäre, mich ihm zu nähern. Ich konnte nicht wissen, dass es bei ihm keinen guten Zeitpunkt gab.Ob er mich gleich sah, oder erst, als ich fast bei ihm war, kann ich nicht sagen, doch auf einmal schallte mir ein unmissverständlicher Satz entgegen.„Keinen Schritt mehr Junge. Ich habe nichts und will nichts. Sieh zu das du verschwindest.“Ich blieb wie angewurzelt stehen, hatte ihm nichts getan, darum konnte ich nicht verstehen, dass er mich anging. Doch ich erinnerte mich an die Worte von Veit. In den wenigen Augenblicken, die ich näher bei ihm stand, musterte ich ihn genauer. Seine Kleidung war verwahrlost, überall mit Löchern versehen, die zumeist Brandlöcher waren. Genauso wie sein Bart. Jahrelang nicht mehr geschnitten, dafür an manchen Stellen versengt, die Haut runzelig und vom Wetter gegerbt. Was nicht zu diesem Bild passte, waren seine wasserblauen, lebhaften Augen, die mich taxierten und unter der breiten Krempel seines Hutes hervorstarrten.Obwohl ich merkte, dass ich nicht willkommen war, dachte ich mir, dass ich mich ihm vorstellen sollte, und trat einen Schritt vor. Das war ein Fehler. Unter mir brach die Erde weg und ich fiel in ein Loch, was doppelt tiefer war, als ich hoch. Ich schrie auf und prallte mit voller Wucht auf den Boden auf, der knietief Unterwasser stand. Noch einmal schrie ich auf, als ich mir meinen linken Fuß bei dem Aufprall so sehr verdrehte, dass ich wegrutschte und mit meinem gesamten Körper im Wasser landete.Fauliger Geruch von vergammelnden Blättern und anderem traf meine Nase, wobei ich nicht wissen wollte, was dort noch vor sich hin verrottete. Dann durchzuckte mich ein stechender Schmerz im Fußgelenk, wusste sofort, dass dies kein gutes Zeichen sein konnte.Ich wollte aufstehen, rutschte weg und schaffte es erst beim dritten Versuch. Allerdings konnte ich nur auf dem rechten Fuß stehen, trat ich mit dem Linken auf, durchzuckte mich dieser unheimlich starke Schmerz. Ob das Gelenk gebrochen war, wusste ich nicht, verstaucht auf alle Fälle. Jetzt sah ich nach oben und konnte das Gesicht des Köhlers erkennen, der über den Rand der Grube gebeugt nach unten lugte.„Habe ich dir nicht gesagt, du sollst keinen Schritt näher kommen?“, rief er herunter und schüttelte mit seinem Kopf. „Nichts als Ärger hat man mit solch dummen Menschen wie dir. Ihr tut nie das, was man euch sagt. Ich weiß schon, warum ich hier alleine wohne!“Danach verschwand sein Gesicht und Augenblicke später flog das Ende eines Seils herunter. An diesem Seil hangelte ich mich unter großer Mühe herauf und schaffte es mich über den Rand der Grube zu wuchten. Der Köhler saß währenddessen auf seiner Bank und half mir nicht dabei. Er hatte das Seil an einen Pfosten vor seinem Haus geknotet und wartete darauf, dass ich aus der Grube kam.„Ich sollte spitze Pfähle auf den Grund der Grube stellen. Dann erledigt sich das mit euch gleich für alle Male. Von mir aus könnt ihr dort unten verrecken.“Daraufhin stand er auf und ging in sein Haus. Ich blieb nass wie ich war draußen. Es wurde langsam dunkel und kalt. Schnell fing ich an zu frieren, in der nassen Bekleidung kühlte man schnell aus.Ich wollte nicht bei dem Köhler klopfen, es war klar, dass er mir nicht gerade gut gesonnen war. Also humpelte ich auf einen der Meiler zu und prüfte, ob dieser äußerlich warm war.Und richtig, die Außenfläche war merklich wärmer. Also zog ich mich so weit aus, wie es ging, und breitete meine Bekleidung darüber aus, lehnte mich gegen die Erde, damit ich mich wärmen konnte.Es war nicht wirklich warm und in der Nacht fror ich gewaltig. Lag ich mit dem Bauch gegen den Hügel, wurde binnen weniger Augenblicke mein Rücken kalt, lag ich mit dem Rücken dagegen, war es anders herum. Doch zum Glück regnete es nicht. Als der Tag hereinbrach, hatte ich meine Augen nicht zu gemacht und war unheimlich müde. Dafür war meine Bekleidung getrocknet. Bis auf Feuchtigkeit vom Morgentau war nichts auf der Oberfläche zu fühlen. Ich zog diese schnell wie möglich an, wobei mir egal war, dass sie von dem Wasser in der Grube fürchterlich stank. Bei Gelegenheit würde ich sie in einem Bach waschen, und solange ich nicht unter Menschen kam, war das nicht wichtig. Ich wollte nicht erfrieren.Gerade als ich mich angezogen hatte, ging die Tür auf und der Mann kam aus dem Häuschen. Er sah mich sofort und sagte mit einer Stimme, die seinen Groll nicht verheimlichen konnte: „Du bist ja immer noch da. Soll ich dich in die Grube schmeißen? Dieses Mal werfe ich dir aber kein Seil hinterher. Kannst dann selber zusehen, wie du da wieder raus kommst. Wenn nicht, Pech gehabt!“Ich glaubte es ihm und wäre sofort gegangen, wenn ich es gekonnt hätte. Mein Fußgelenk war in der Nacht auf das doppelte angeschwollen. Beim leichtesten Auftreten waren die Schmerzen kaum mehr auszuhalten.Ich sah ihn flehend an und er mich teilnahmslos. Seine Augen gingen zwar ein paar Mal an mir herunter und blieben an meinem kranken Gelenk hängen, trotzdem blieb sein Blick hart. „Bitte!“, sagte ich zu ihm, „Könnt ihr mir einen Stab geben, damit ich mich abstützen kann. Dann werde ich sofort von hier verschwinden!“Mürrisch sah er sich um und entdeckte ein passendes Holzstück bei dem aufgestapelten Haufen am Haus.Langsam ging er dort hin, überprüfte ihn gewissenhaft und mit Sorgfalt darauf, das er hielt, und warf mir diesen vor dir Füße. Danach ging er zum Haus zurück und setzte sich auf die Bank.Mit großer Mühe konnte ich mich auf einem Bein herunterbeugen, damit ich den Stab greifen konnte. Aals ich aufrecht stand, war er eine große Hilfe für mich. Ich sah den Köhler kurz an, drehte mich um und humpelte in die Richtung zurück, aus der ich gekommen war. Ich würde dem Trampelpfad folgen müssen, durch den Wald konnte ich mit dem Bein nicht vorwärtskommen. Umgefallene Bäume und Unterholz konnte ich nicht mehr überwinden.Ich war nicht weit gekommen, als ich mit meinem gesunden Fuß auf einen wackeligen Stein trat und ins Straucheln geriet. Um mich abzufangen, trat ich mit meinem anderen Fuß auf und schrie gellend, während ich auf den Boden fiel. Tränen rannen mir über das Gesicht und ich konnte nicht mehr. Die lange Nacht, mein ausgezehrter Körper und die Schmerzen, ließen mich liegen bleiben. Ich war am Ende meiner Leistungskraft.Wenigs später sah ich über mir den sich schüttelnden Kopf des Köhlers. Er sprach mehr zu sich als zu mir„Immer dieser Ärger, warum kann man mich nicht in Frieden lassen. Da geht man in den Wald, um Ruhe vor den Menschen zu haben und was passiert? Sie finden einen trotzdem. Muss ich denn an das Ende der Welt gehen und mich über den Rand stürzen, damit ich endlich allein bin?“Während er vor sich hinmurmelte, beugte er sich über mein krankes Bein und tastete es mit seinen, mit dicken Schwielen behafteten Fingern, ab. Hatte ich zuerst gedacht, dass er grob damit umgehen würde, hatte ich mich getäuscht. Seine Finger fuhren leicht über die Schwellung und drückte mal hier, mal dort leicht dagegen. Wenn mir der Schmerz zu stark wurde, stöhnte ich auf und er ließ locker.„Tja, Jungchen, damit wirst du nicht weit kommen, nichts gebrochen, aber laufen wirst du eine Zeit lang nicht mehr. Was meinst du was ich mit dir anfangen soll? Ich könnte dich in eine Siedung bringen, wo man dich ausrauben und umbringen wird. Hast Glück, dass du dünn bist, dann werden sie dich wenigstens nicht auffressen. Ich könnte dich hier und jetzt umbringen und ins Unterholz werfen, dann wäre ich dich los ohne den weiten Weg ins Dorf zu machen.“Um ehrlich zu sein, es klang bei ihm nicht danach, als wenn er einen Scherz machte. Ich traute es ihm zu, hätte in meinem Zustand nichts gegen ihn ausrichten können. Mein Leben lag in seinen großen, schwieligen Händen.Man konnte sehen, wie er am überlegen war und mir schwante nichts Gutes. Wer würde mich vermissen? Keiner!„Hmmmm!“, machte er und sah mir in die Augen.„Wenn man wenigstens was mit dir anfangen könnte. Aber in dem Zustand bist du zu nichts zu gebrauchen. Ich sagte ja. Nichts als Ärger. Wäre besser gewesen, wenn du nicht hierher gekommen wärst!“Wenn er gewusst hätte, was ich überlegt hatte, hätte er mir vorgehalten, dass ich die falsche Entscheidung getroffen hatte. Also hielt ich lieber meinen Mund.„Hmmm“, machte er erneut. „Ich kann dich hier nicht liegen lassen, will nicht an einer verwesenden Leiche vorbeigehen müssen. Zu viele Fliegen. Ich werde gleich wiederkommen, weglaufen kannst du ja nicht mehr!“Danach stand er auf und ich erwartete, dass er mit einer Axt oder Ähnlichem zurückkommen würde, um mich zu töten und zu zerlegen, doch ich hatte mich getäuscht. Er kam mit einer Schubkarre zurück und hob mich darauf, als wenn ich nichts wiegen würde. Dann schob er mich zum Haus. Davor angekommen hob er mich aus der Schubkarre und trug mich ins Haus.Hier war es dunkel, das Haus hatte keine erkennbaren Fenster, sondern wenige Löcher in der Wand, die mit Stroh verstopft waren und durch Spalten ein wenig Licht durchließen. Die einzigen Möbel bestanden aus einem großen Bett, einem Tisch mit zwei Stühlen und eine Art Regal. Ansonsten gab es einen Kochkamin in der gegenüberliegenden Außenwand, in dem ein Kessel, an einer Kette, über dem Feuer hing. Was mir sofort auffiel, war, dass es streng roch. War mir bereits aufgefallen, dass der Köhler nicht grade duftete, war es hier kaum zum Aushalten. Es war ein muffiger Geruch, der jedoch von einem feinen Aroma, von Essen, unterstrichen wurde. Wenn ich es heute beschreiben sollte, wäre der Geruch von nassem Hund am ehesten vergleichbar, ein Hund, der nie gebadet wurde.Trotzdem fing mein Magen sofort an zu knurren, denn wie gesagt, war da ein feiner Essensgeruch, der sich in meine Nase schlich. Der Mann sah mich an, als er das Knurren hörte. „Es ist wirklich nicht mein Tag. Erst fällst du mir wegen deiner Dummheit in die Grube, dann nehme ich dich sogar noch mit in mein Haus und jetzt muss ich dich auch noch durchfüttern. Schlechter kann kein Tag werden! Jetzt wo ich dich schon mitgenommen habe, kann ich dich jawohl schlecht verhungern lassen. Da hätte ich dich ja gleich auf dem Weg liegen lassen können.“Er sah sich um und legte mich in das große Bett. Danach schlurfte er zum Kessel, nahm eine nicht gerade sauber aussehende Holzschale und füllt mit einer Kelle etwas von dem Inhalt des Kessels hinein. Es dampfte gewaltig und war sehr heiß. Dazu griff er nach einem Holzlöffel und kam zu mir zurück.„Vorsichtig, ist heiß, mach mir mein Bett nicht schmutzig!“Dabei dachte ich mir, dass das nicht so einfach war. Das Bett sah nicht danach aus, als wenn es oft hergerichtet wurde. Aber das war mir in diesem Moment egal. Ich roch nur die Suppe und ich wunderte mich, was alles darin war. Zuhause bestand eine Suppe aus Wasser mit wenig Geschmack. Hier war das anders. Diese war dick, mit viel darin und roch unheimlich würzig. Das kam wahrscheinlich von den vielen Kräutern, die ich darin schwimmen sah. Zu meiner größten Überraschung befanden sich größere Stücke Fleisch mit einem ordentlichen Fettrand darin. Das kannte ich nur an besonderen Tagen, zumeist christlichen Feiertagen der heute nicht war.In diesem Moment war mir das Datum egal. Hier war endlich was zu essen, warm und mit großer Energie darin. Genau das, was mein Körper brauchte.Klar verbrannte ich mir bei dem ersten Löffel den Mund, aber ich schluckte es trotzdem herunter, ohne mit der Wimper zu zucken. Bei dem zweiten Löffel pustete ich lieber darüber. Wenig später hatte ich die Schüssel bis auf den letzten Tropfen geleert und ein wohlig warmes Gefühl machte sich in meinem Bauch breit. Fast im gleichen Moment fielen mir die Augen vor Erschöpfung zu und ich gelangte in einen traumlosen Schlaf.Ich bekam nicht mehr mit, dass sich ein leichtes Lächeln in das Gesicht des Köhlers stahl und das er mich mit einer Decke zudeckte und das Haus verließ.Irgendwann wachte ich auf. Es war dunkel und ich musste mich erst zurechtfinden. Durch die kleinen Luken kam kein Licht, also musste es in der Nacht sein. Was sich allerdings verändert hatte, war, dass ein lautstarkes Schnarchen durch das Haus ging. Es erklang neben mir und mir wurde klar, dass sich der Köhler neben mich gelegt hatte und dort schlief.Ich glaubte nicht mehr, dass es was Schlimmes mit mir vorhatte, er hätte es sicherlich längst getan. Also fühlte ich mich seit Tagen das erste Mal sicher und schloss meine Augen. Sofort schlief ich friedlich und in Ruhe ein. Spät am nächsten Morgen wachte ich auf und fühlte mich endlich ausgeschlafen. Am liebsten wäre ich aus dem Bett gesprungen, aber mein Bein hielt mich davon ab. Der Köhler war bereits aufgestanden und nicht mehr im Haus. Er hatte mir den Stab ans Bett gestellt, damit ich aufstehen konnte. Also erhob ich mich vorsichtig und humpelte zur Tür. Draußen holte ich in der frischen Luft tief Atem und setzte mich auf die Bank. Ich saß nicht lange dort, als der Köhler aus dem Wald kam. Er hatte eine Axt über der Schulter hängen und ging ruhig auf dem Weg entlang. Kurz vor der Grube, die er wieder perfekt getarnt hatte, ging er zwei Schritte zur Seite und kam auf das Haus zu.„Bist ja immer noch hier!“, waren seine ersten Worte. „Geschlafen hat er, gegessen hat er. Was will er noch mehr? Ich bin für sein Leben nicht verantwortlich. Soll er doch sehen, wo er bleibt!“„Martin!“, sagte ich, „mein Name ist Martin. Ich möchte mich bei euch bedanken. Hier habt ihr mein ganzes Geld. Bitte nehmt es, ihr habt es verdient!“„Junge, wenn ich dein Geld hätte haben wollen, dann hätte ich es mir genommen. Behalte es selber. Ich kann in diesen Zeiten nur wenig damit anfangen. Was sollte ich schon davon kaufen? Die Menschen beginnen Ratten als Delikatesse zu verkaufen und man muss aufpassen, dass man diesen Viechern nicht zu sehr ähnelt. Es könnte sonst schlimm ausgehen.“„Euch scheint ja das Problem nicht zu stören. Euer Topf ist gut gefüllt!“, meinte ich in seine Richtung und er grummelte vor sich hin.„Nein, mich geht es nichts an. Menschen sind mir zuwider und ich kann für mich alleine leben. Der Wald gibt mir alles, was ich brauche. Meine Suppe ist nur so dick, weil die Menschen meine Ruhe respektieren. Sie machen große Umwege um mich herum, damit sie mir nicht begegnen. Darum ist mein Wald noch voller Leben, aber das wird nicht mehr lange so sein. Der Hunger treibt sie in meine Nähe.“„Wenn ihr kein Geld braucht und andere Menschen auch nicht mögt, warum stellt ihr dann Holzkohle her?“„Junge, sei froh, dass du noch lebst. Stell keine Fragen, wenn es so bleiben soll. Du kommst ungebeten in mein Leben und solltest dich mit den Antworten zufriedengeben, die ich dir gebe.“Ich beschloss, am besten meine Klappe zu halten. So würde ich besser über die Runden kommen. Obwohl ich nur eine Belastung für den Köhler war, durfte ich länger bei ihm bleiben. Allerdings brachte er Stroh in das Häuschen, auf dem ich schlafen durfte. Sein Bett war ihm vorbehalten. Ehrlich gesagt lag ich lieber in dem Stroh, bei seinem Bett war ich mir nicht sicher, was dort sonst noch schlief.Die Schwellung am Fußgelenk schwoll langsam ab und eine Woche später konnte ich ohne Stock laufen. Während der Köhler im Wald verschwunden war, ging ich nach draußen und dachte, dass ich mich nützlich machen konnte. Ich fand eine Säge, den benötigten Sägebock und diverse Stämme, die gesägt werden mussten.Also nahm ich an einem anderen, bereits gesägtem Stück Holz Maß und begann mit der Arbeit. Die Säge war gut und scharf, von daher ging die Arbeit gut von der Hand. Zwei Stunden später wollte ich einen neuen Stamm holen und erschrak fürchterlich, als ich mich umdrehte und der Köhler zwei Schritte hinter mir stand. Dabei hatte er seine Axt geschultert und stand wie angewurzelt vor mir. Er sah auf den groß gewordenen Haufen frisch gesägtem Holz und nickte und meinte: „Hinter dem Haus ist eine weitere Axt, stapeln kannst du es da vorne.“ Dabei zeigte er mit einer Hand auf die Stelle, an der er das frische Holz haben wollte, drehte sich um und ging ins Haus.Ein paar Augenblicke später kam er zurück und hatte zwei große, dampfende Schüsseln Suppe in der Hand. Damit setzte er sich auf die Bank. Die eine behielt er, die andere stellte er neben sich. Ich ging leicht humpelnd zu ihm hin, nahm die Schüssel und setzte mich neben ihn. Dann löffelten wir sie langsam aus, ohne ein Wort zu sagen.„Junge, wo kommst du eigentlich her?“, fragte er auf einmal und ich erzählte ihm mein Leben von Anfang an. Er saß da und sein Gesicht zeigte keinerlei Regung. Als ich nach einer Stunde fertig war, sagte er nur: „Ja, schlimme Zeiten!“, und stand auf.Danach nahm der die Schüsseln und meinte zusätzlich. „Du hast noch zu tun. Das Holz stapelt sich nicht von alleine. Wer essen will, muss dafür arbeiten. Bis jetzt war es eigentlich noch keine volle Schüssel wert, also strenge dich mehr an oder geh.“Obwohl mir alle Knochen wehtaten, ging ich zurück, hackte die letzten Baumscheiben kleiner und schaffte es bis zum Abend alles zu stapeln, ging ins Haus, legte mich auf das Stroh und schlief augenblicklich ein. Das dröhnende Schnarchen des Köhlers störte mich nicht.Nachts wachte ich auf, als ich hörte, wie die Tür auf und zu ging. Ich schlich an eine der Luken, um zu sehen, was er draußen machte. Obwohl nur der Mond die Dunkelheit aufhellte, konnte ich sehen, wie er zu den Meilern ging und diese kontrollierte. Hier und da stach er mit einem Stock neue Löcher in die Beschichtung, andernorts verstopfte er sie. Eine Wissenschaft für sich.Nächsten Tag nahm er mich mit in den Wald. Nicht weit weg war er gerade dabei, ein Stück zu roden. Während er die Bäume fällte, was in einer bemerkenswerten Geschwindigkeit geschah, machte ich mich über die Äste und Borke her. Das konnte ich, hatte es lange geübt. Der Köhler verlor kein Wort darüber, nahm es als gegeben hin.Gegen Mittag machten wir eine kleine Pause. Dazu saßen wir auf einem der Baumstümpfe und der Köhler holte Brot aus einer Tasche. Woher dies kam, wusste ich nicht. Es war steinhart und man musste es kräftig mit Speichel vermischen, damit es essbar wurde. Danach schmeckte es nach was. Er musste es irgendwo lagern, in dem Haus hatte ich es nicht gesehen. Wir saßen schweigend da, bis er auf einmal meinte: „Deine Leute hatten keine Erfahrungen damit, wie man kämpft. Sie hatten keine Chance!“Es war eine reine Feststellung und ich brauche einen Moment, bis ich seinen Worte auf meine Lebensgeschichte bezog.„Nein, hatten sie nicht!“, meinte ich und starrte in die Luft, während ich hinter meinen Augen die Bilder sah, wie sie gekämpft hatten.„Manchmal sollte man lieber flüchten!“„Ist das nicht feige?“, fragte ich und sah den Köhler von der Seite an. Er drehte seinen Kopf in meine Richtung. „Was willst du? Dumm und tot oder feige und leben?“„Meine Leute waren nicht dumm!“, meinte ich trotzig zu ihm. „Sie haben gekämpft, bis sie nicht mehr konnten!“„Trotzdem tot, das hat ihnen auch nichts gebracht. Schau dich an. Du lebst noch und warum?“Ich sah den Köhler entgeistert an. Wollte er damit sagen, dass ich feige gewesen war?„Weil ich zu schwach für einen Kampf gewesen bin. Darum, aber nicht weil ich feige gewesen bin!“„Siehst du, du hast deine Chance abgewogen und dich nicht abschlachten lassen. Darum lebst du noch.“Ich sah schweigend auf meine Füße und überlegte einen Moment. Ich wusste in meinem Inneren, dass er recht hatte, wollte es aber nicht glauben. Trotzig antwortete ich ihm mit Verzögerung: „Was wisst ihr schon davon. Ihr seid ein Köhler, ihr braucht nicht zu kämpfen. Ihr habt nichts, was man euch wegnehmen kann. Euer Leben will keiner haben!“Das war der Moment, in dem ich vom Baumstamm flog und auf dem Waldboden aufschlug. Der Köhler hatte mich unerwartete von der Seite erwischt und mir seine Faust direkt ins Gesicht geschlagen.„Junge“, sagte er ruhig und blieb auf dem Baumstamm sitzen, „Beurteile niemals einen Menschen, nach dem, wie er aussieht, oder was er tut. Es kann das Letzte sein, was du tust.“Mit dieser störrischen Ruhe brachte er mich in Rage, genauso, dass er es nicht lassen konnte, mich Junge zu nennen.„Ich heiße Martin und nicht Junge“, versuchte ich möglichst gefährlich zu sagen und sah ihn wild an, rappelte ich mich auf.„Für mich heißt du Junge. Männer heißen Martin. Du bist dieses kraftvollen Namens nicht würdig. Den must du dir erst verdienen!“Ich glaube, ich war in meinem ganzen Leben noch nicht so sauer. Dort saß ein Mann, dessen besten Tage vorbei waren und vom Leben gezeichnet. Ich hingegen war in den letzten Tagen zu Kräften gekommen. Ich wollte gerade auf ihn einstürmen, als er meinte: „Du solltest dazu wenigstens einen Knüppel benutzen. Mit den blanken Fäusten zu kämpfen, bis du nicht gewohnt. Deine Hände sehen nicht danach aus, dass sie das lange durchhalten. Außerdem erhöht es deine Reichweite und Schlagkraft.“Ich hörte seine Worte und kam nicht darauf, dass es eine Aufforderung war, tiefer in den Schlamassel zu geraten, als ich bereits darin steckte. Sofort sah ich mich nach einem entsprechenden Ast um und fand ihn. Ich dachte nur, dass er schön dumm sein musste, mir diesen Hinweis zu geben. Immerhin war es gegen seine eigene Position. Mit dem Knüppel in der Hand stürzte ich mich auf ihn und lag Augenblicke später wieder auf dem Boden. Als ich auf ihn zugestürmt war, hatte ich zu viel Schwung drauf gehabt, und da er schnell zur Seite wegrutschte, ging mein Schlag ins Leere. Dieser Schwung übertrug sich auf meinen Körper und riss mich mit über den Stamm. Dieser brachte mich zum Stolpern und zu Fall.Ich rappelte mich auf und wollte mich erneut auf ihn stürzen doch er saß nicht mehr auf dem Stamm, sondern stand einfach nur da und schüttelte seinen Kopf.„Junge, du wirst dir nur wehtun. Lass es lieber und nimm dein kleines Beil. Vielleicht schaffst du es ja, einen dünnen Baum zu fällen. Ich glaube, ich habe am Rand des Waldes einen gesehen. Allerdings ist der so dünn, dass der dort lebende Biber aus Mitleid drum herum geht. Versuchte dich erst an diesem. Richtige Bäume schaffst du noch nicht!“Er verhöhnte mich und das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich sprang mit hoch erhobenem Knüppel über den Stamm, auf dem wir gesessen hatten, und war fast bei ihm, als mich sein vorgestreckter Fuß im Bauch traf. Ich konnte noch sehen, wie er sich wegdrehte, um meinem Knüppel aufzuweichen, danach überrollte mich der Schmerz in meinem Bauch.Ich krümmte mich zusammen und bekam keine Luft mehr.Schwer atmend spürte ich eine kalte Stahlklinge in meinem Nacken. Ich drehte meinen Kopf zur Seite, als ich die Schuhe des Köhlers neben mir stehen sah. Als ich einen besseren Blickwinkel hatte, sah ich in neben mir stehen und die Klinge seiner Axt, die auf meinem Nacken lag.„So schnell kann man seinen Kopf verlieren, wenn man diesen zu schnell verliert.“Ein kleines Wortspiel, mit dem er recht hatte. Ich hatte mich zu was verleiten lassen, was ich nicht beherrschte. Dann verschwand das unangenehm, kühle Gefühl in meinem Nacken und er meinte nur: „Pause ist zu Ende. Machen wir weiter. Morgen bekommst du deine Axt. Wollen doch mal sehen, ob du nicht irgendwann Martin heißt.“Schweigend arbeiteten wir, bis sich der Tag vor dem Abend verneigte.Am nächsten Morgen war es nicht richtig hell geworden, als der Köhler mich aus dem Schlaf riss. „Aufstehen. Wir haben zu tun. Schnapp dir die Säcke hinten in der Ecke und eine Schaufel. Dann komm damit raus!“Ich hatte den Stapel Säcke gesehen, mir darüber keine Gedanken gemacht. Draußen angekommen sah ich den Köhler auf einem der Meiler stehen und goss mit einem Eimer Wasser in die Mitte. Daraufhin zischte es stark und eine weiße Wasserdampfwolke schoss aus dem Loch. „Noch einen!“, rief er und warf mir den Eimer vor die Füße.Ich ging zum Brunnen und holte einen vollen Eimer Wasser. Dieser verschwand ebenfalls im Loch auf der Spitze des Meilers. Jetzt schien der Köhler zufrieden zu sein. Er nickte und stieg von dem Hügel herunter.„Wird heute nichts damit, dass du einen Namen bekommst, Junge. Wir müssen den Meiler öffnen. Die Holzkohle ist fertig.“Zusammen brachen wir den Meiler auf und mir stieg eine so große Hitze entgegen, dass ich augenblicklich anfing zu schwitzen. Ich entledigte mich meiner Oberbekleidung und später auch der Beinbekleidung, Schuhe blieben übrig. Um meinen Unterkörper schlag ich ein Tuch. Es war ein Wechselbad der Gefühle und ich genoss es, wenn mich ein kühlender Windstoß traf. Ich schaufelte die Holzkohle heraus und breitete sie auf dem Boden aus. Der Köhler schaufelte sie in einen Sack, wenn es sicher war, dass keine Glut mit in den Sack kam. Dann brachte er den Sack zum Haus uns stellte ihn auf den Boden. Hier standen später überall Säcke herum, die sich nicht berührten. Eine weitere Sicherheitsmaßnahme, denn wenn tatsächlich noch Glut in einen Sack gekommen wäre, wäre nur dieser verbrannt.Die Säcke blieben die ganze Nacht draußen stehen. Am nächsten Morgen holten wir sie mit ins Haus und stapelten sie an einer der Wände bis an die Decke. Hier konnten sie nicht mehr nass werden.Das schafften wir schnell, da Holzkohle leicht ist. Gegen Mittag gingen wir erneut in den Wald, um Bäume zu fällen. Dazu bekam ich die versprochene Axt. Ich brauchte die dreifache Zeit, um einem Baum zu fällen, war es nicht gewohnt und musste die richtige Technik erst lernen. Später machten wir noch eine kleine Pause um etwas zu essen und trinken.„Woran liegt es wohl, dass ich meine Bäume schneller fälle als du deine?“, fragte er mich auf einmal.„An der Kraft und Übung?“, meinte ich, wobei ich ihn von der Seite ansah.„Das mit der Kraft ist so eine Sache. Sie wird überbewertet. Übung ist ein wichtiger Faktor. Ohne wirst du es niemals schaffen, egal was du machst. Aber du hast was Wichtiges vergessen!“Ich wusste nicht, was er meinte und sah ihn fragend an.„Es liegt auch viel an dem Werkzeug und seine Qualität. Du strengst dich unheimlich an und das mit einer stumpfen Axt. Ich habe eine Scharfe!“„Aber ihr habt sie mir so gegeben!“, kam meine Antwort und war sauer.„Ja, habe ich, weil ich mir einen Vorteil verschaffen wollte. Merke dir das, nehme immer dein eigenes Werkzeug, mache es dir oder nehme immer dasselbe, gib es nicht aus der Hand, dann kennst du es in und auswendig. So liefert es dir immer einen Vorteil, zumindest wenn dein Gegner gleich stark ist wie du.“Ich sah den Köhler von der Seite aus an. „Wer seid ihr?“, fragte ich ihn. „Meinst du meinen Namen? Den kannst du ruhig wissen, aber es wird dich nicht weiterbringen. Johannes. Johannes hat man mich gerufen. Meistens jedenfalls. Aber was spielt das für eine Rolle, Hinz und Kunz wären genauso gut oder schlecht.“„Nein, das meinte ich nicht“, sagte ich zu ihm, „Euren Namen meinte ich eigentlich nicht, obwohl es mich sehr freut, diesen zu erfahren. Immerhin weiß ich jetzt, wie ich euch in meinen Gedanken nennen kann. Ihr seid nicht immer Köhler gewesen. Das ist mir inzwischen klar geworden. Ihr würdet mir eine große Freude machen, wenn ihr es mir erzählt.“„Vielleicht später einmal, wenn du zu einem Mann geworden bist. Aber nur dann, wenn du mich ein einziges Mal besiegst. Ich mache aus dir einen Kämpfer, aber einen der weiß, wofür er dieses anwendet, der seinen Kopf mit einsetzt und weiß, wann es sich lohnt zu kämpfen.“Diesmal sah er mir tief in die Augen und ich hielt solang wie möglich dagegen.„Dafür müssen wir deinen Körper in Ordnung bringen. Du bis zu steif und ungeschickt. Aber auch das werde wir noch hinbekommen!“Was in den nächsten Monaten passierte, will ich hier nicht lange beschreiben. Es wurde hart, denn selbst im Winter wurde ich über alle Maße gefordert. Ich lernte nebenbei, wie man einen Meiler aufbaute und betrieb. Wissen, was man vielleicht später brauchen konnte.Wenn wir nicht im Wald waren, um Holz zu schlagen, schlug er mich. Anders kann man das nicht sagen. Zuerst waren Knüppel unsere bevorzugten Waffen, diese benutzte er am liebsten dort, wenn keine anderen zu finden waren. Ich musste lernen, dass man seine Waffe während des Kampfes niemals losließ, egal welche Schmerzen man fühlte. Ließ man los, war man tot. Ein blauer Fleck kam zu dem nächsten und immer wenn ich glaube Martin endlich in Bedrängnis zu bekommen, hatte ich mich getäuscht. Auf alles, was ich gelernt hatte oder ausprobierte, hatte er eine bessere Antwort. Mit den Knüppeln ging es bis zur Mitte des Winters weiter. Ich wurde schneller, konnte viele seiner Schläge parieren, selber bessere Schläge setzten. Eines Tages wechselte Johannes die Knüppel gegen Stahlstangen aus. Woher er diese hatte, wusste ich nicht, aber er meinte, sie hätten das Gewicht von Schwertern. Hätte ich gewusst, wie schwer solche Stangen werden können, wenn man sich verausgabte, wäre ich am Anfang besonnener gewesen. So konnte Johannes mich ins Leere laufen lassen und darauf warten, dass ich erledigt war, bevor der Kampf wirklich losging. An diesem Punkt setzte er zu einer einzelnen Parade oder Finte an und schon wäre ich aufgespießt worden. Zwischendurch brachte er mir bei, wie man sich mit allem Möglichen verteidigen, gleichzeitig angreifen konnte.Es verging ein Jahr und ein Weiteres, in dem mir aufging, was mein Vater und die anderen falsch gemacht hatten. Wenn ich ihre Waffen in der Hand hielt, ob eine Mistgabel, einen Dreschflegel oder sonst was, konnte ich damit umgehen. Sie hatten aus meiner jetzigen Sicht keine Chance gehabt. Dabei wunderte mich, dass sie überhaupt jemanden erwischt hatten. Johannes meinte, dass sie zu dumm gewesen waren. Wer blind losstürmt, verliert ein Auge für das wesentliche und sein Leben. Sein Motto war einfach.Kämpfe, wenn es sich zu kämpfen lohnt, wenn nicht, dann laufe, laufe schnell und weit. Helden sterben früh, darum sind es Helden. Andere starben friedlich im Bett bei der Liebsten.Wenn er davon sprach, musste er grinsen.Jedes viertel Jahr kam ein Wagen, auf den wir die Holzkohle verluden. Johannes meinte, dass der Mann ein befreundeter Schmied war. Dass er für die Kohle Geld bekam, sah ich nie. Johannes brauchte keines und war damit zufrieden, was er hatte. Das Einzige was er ab und zu bekam waren ein paar Bahnen Stoff, aus denen Johannes entweder neue Kleidung herstellte oder Flicken für die alten herstellte. Der Schmied sah mich befremdlich an, sagte keinen Ton zu mir, wobei er auch mit Johannes wenige Worte wechselte. Trotzdem konnte man sehen, dass sie sich länger kannten. Sie verstanden sich ohne Worte.Die übrige Zeit blieben wir alleine. Irgendwann, nach zwei Jahren schaffte ich es, Johannes das erste Mal in Bedrängnis zu bringen. Allerdings nur, weil ich unfair kämpfte. Er lachte auf, schien sich darüber zu amüsieren, dass ich mir die Freiheit genommen hatte. Es fiel mir erst jetzt auf, aber es war das erste Mal, solange ich hier war, dass Johannes lachte und während meine simulierte Klinge an seinem Hals klebte, begann ich ebenfalls zu lachen. Das nutzte er sofort aus, um mir in die Weichteile zu treten. Als ich gekrümmt auf dem Boden lag und nach Luft japste, hielt er mir seine Hand hin und meinte: „Ja, Martin, mehr kann ich dir nicht beibringen. Alles anders ist Übung. Pass aber auf, dass dir nicht zu oft jemand in die Eier tritt. Es tut weh und sieht nicht gut aus. Sei schneller, lade deinen Gegner nicht dazu ein, es kann die letzte Einladung sein!“Damit zog er mich auf die Beine und wir gingen ins Haus zurück, während ich Stolz darauf war, dass Johannes mich Martin genannt hatte.Schon am nächsten Tag fragte mich Johannes: „Wohin wirst du nun gehen?“Ich wusste nicht, was er damit sagen wollte. Ich sah ihn verständnislos an. „Wie, wohin ich gehe!“„Martin!“, setzte er an, „Du bist jung, du kannst nicht hier beleiben. Die Welt ist voller Dinge, die du gesehen haben musst. Voller Abenteuer und Gefahren. Ich habe dir die Möglichkeit gegeben, in der Welt nicht gleich überrollt zu werden. Du bist stark, klug und wirst deinen Weg machen. Aber nur wenn du auch dort hingehst. Ich bin ein alter Mann, der damit nichts mehr zu tun haben will.“So kam es, dass ich zwei Tage später ein Bündel mit dem packte, was ich hatte. Um ehrlich zu sein, das Bündel war sehr klein. Es regnete, als ich vor dem Haus stand und mich verabschieden wollte. Doch Johannes verschwand noch einmal in seinem Haus, kam mit etwas zurück, was ich dort nie gesehen hatte. Es war in Lumpen eingewickelt, und als Johannes es auswickelte, war es ein Hirschfänger, oder zumindest sah es so aus. Johannes zog die Waffe aus der Scheide und sie blinkte in der Sonne auf. Gute sechzig Zentimeter war die Klinge lang und aus einem Stahl, den ich noch nicht gesehen hatte. Die Oberfläche zeigte ein seltsames wellenförmiges Muster, was nicht darauf gemalt, sondern im Stahl selber war.Johannes reichte es mir und meinte: „Immer festhalten, eine losgelassene Waffe schützt nicht mehr.“ Danach überreichte er mir die Klinge.Ich war erstaunt. Es war ein Geschenk von hohem Wert. Ich nahm es an und wickelte es in die Lumpen, um es unter meiner Kleidung zu verbergen.„Wer bis du?“, fragte ich Johannes ein letztes Mal. Johannes grinste, hob die Schulter an: „Johannes bin ich, nichts anderes!“Dann drehte er sich um, ging ins Haus und schloss die Tür hinter sich.Zusatz: Viele weitere Romane sind unter meinem Pseudonym „Kastor Aldebaran“ exklusiv bei Amazon erschienen und als kindle unlimited erhältlich.

Der Schmied aus Intal 2/38

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